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Rücktrittsschreiben von Claudio Righetti aus dem Stadtrat Bern

13. September 2024

Liebe Kolleginnen und Kollegen

In einem Wahljahr sind Flexibilität und Teamgeist besonders wichtig. Das ist der Grund, warum ich mich bereits heute, etwas früher als geplant, aus unseren Reihen verabschiede. Ich tue dies, um unserer jungen und hochmotivierten Kollegin aus der Mitte, Michelle Steinemann, die Möglichkeit zu geben, sich noch in diesem Jahr mit dem Amt vertraut zu machen – und ich hoffe, ihr damit einen Vorsprung zu verschaffen.

Für mich geht ein Kapitel zu Ende, das ich vor rund vier Jahren als Quer-Einsteiger hoffnungsfroh eröffnet habe und dass ich heute, etwas ernüchtert, aber ohne jede Bitterkeit, gefühlt als Quer-Aussteiger wieder schliesse: Quer-Aussteiger deshalb, weil ich als eingefleischter Kosmopolit mit weitgestecktem Horizont in der Kommunalpolitik in Bern nie so richtig gelandet bin. Zuhause in Bern – fremd in der Berner Politik… eine ungewohnte Situation.

«Vorgewarnt» hatte mich bereits vor vielen Jahren mein Grossvater, Konzertmeister am Berner Symphonieorchester, ein überzeugter, aber eben auch kritischer Berner – er erzählte mir als Kind die Geschichte von der Erschaffung Berns: «Als Gott Bern erschuf, war er so überwältigt und erfreut, dass er meinte, einen Ausgleich schaffen zu müssen, und beschloss, die Berner nach Bern zu schicken.»

Ich habe das immer für einen Witz gehalten, aber hier in der Politik habe ich dann eine Seite von Bern kennen gelernt, die ich vorher nicht kannte, und ich habe mich immer öfter gefragt: Ist da vielleicht doch etwas dran, an dieser Geschichte?

Wie dem auch sei: Ich setzte mich stets mit Herzblut für unsere Anliegen ein und werde mich auch in Zukunft als freiheitsliebender Brückenbauer für die Politik der Mitte einsetzen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass hier, in der politischen Mitte, frei von Ideologien und basierend auf offenem Dialog und Kompromissbereitschaft, die wahre DNA der schweizerischen politischen Kultur zu Hause ist.

Gerne zitiere ich in diesem Zusammenhang Marco Solari, der mir in einem Gespräch anvertraute: «Die Schweiz ist ein Juwel, ihre politische Kultur ein Kunstwerk. Das ist es, was dieses Land bis heute wirklich zusammenhält: Die Sorge um die tausend kostbaren Gleichgewichte.»

Wir müssen uns dessen bewusster werden: Viele Entscheidungen, die wir hier im Stadtrat treffen, haben mittel- und langfristig Auswirkungen über unsere Region hinaus. Und als Bundeshauptstadt tragen wir eine besondere Verantwortung für unser Land. Wir sind also nicht nur gut beraten, sondern im Grunde auch verpflichtet, bei unseren Entscheidungen die grösseren Zusammenhänge im Auge zu behalten und Gleichgewichte zu wahren.

Dazu gehört auch, zu erkennen und anzuerkennen, dass es nicht nur eine richtige Vorstellung von einer Lebensweise, von einem Lebensstil gibt, sondern dass es viele gibt! Alle haben ein Recht, in ihren Anliegen beachtet und respektiert zu werden. Wenn wir also als Berner Gemeinschaft langfristig stark und erfolgreich sein wollen, müssen wir mehr Toleranz zeigen und aufeinander zugehen.

Ziel muss es sein, Bern als kulturoffene und zukunftsfähige Hauptstadt voranzubringen, für alle von uns und nicht nur eine parteipolitische Ideologie durchzusetzen und als Regelweltanschauung zu zementieren.

Weil mir persönlich Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sehr wichtig sind – ich möchte sogar sagen, lebenswichtig sind, schenke ich euch zum Abschied dieses kleine Buch, das vor euch liegt.

Es wurde vor über 200 Jahren von einem Schotten namens Adam Smith geschrieben. Es handelt von den Grundlagen der modernen Nationalökonomie, die Smith in seinem Werk «Wohlstand der Nationen» gelegt hat, basierend auf einer sich selbst regulierenden, harmonischen Wirtschaftsordnung und im Vertrauen auf einen liberalen Kapitalismus, dessen Grundzüge Smith sehr anschaulich erklärt.

Ich habe mir gedacht: Das könnte doch gerade für einige von uns ein erfrischender Denkanstoss sein, wie wichtig Unternehmertum und Wirtschaft für den Wohlstand und Fortschritt sind und wie wesentlich es daher ist, einerseits mit Steuergeldern sorgsam umzugehen und andererseits die Interessen der Wirtschaft vorausschauend zu fördern – der Lohn dafür ist gross, liebe Freunde: Freiheit, Unabhängigkeit und noch mehr Möglichkeiten, unsere Zukunft nachhaltig zu gestalten – unsere Kinder werden es uns danken!

Denkt also bitte daran: Die Gesetze der Physik sind ebenso wahr wie die Regeln der Ökonomie – wer sie nicht beachtet verliert früher oder später den Boden unter den Füssen.

Und für alle, die damit immer noch nichts anzufangen wissen: Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, dieses Buch zu erhalten, denn für jedes Exemplar wurde auch ein Baum gepflanzt – so gedeihen jetzt in Madagaskar, dank dem Stadtrat von Bern, 100 neue Bäume – und mindestens so viel Hoffnung für die Zukunft.

Ich, für meinen Teil, werde Bern natürlich auch in Zukunft mit meinen kulturellen Aktivitäten verbunden bleiben und mich weiterhin dafür einsetzen, die Ausstrahlung und das Potenzial Berns als Bundeshauptstadt der Schweiz zu fördern und bekannter zu machen. Auch wenn Bern in Zukunft nicht mehr mein Lebensmittelpunkt sein wird.

Merci – und machets guet!

Claudio Righetti, Stadtrat 11.9.2024

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